Stieglitze bewohnen offenes Gelände mit Baumgruppen, Parkanlagen, Feldgehölze, Obstgärten sowie lichte Mischwälder. Ihr Nest bauen sie in einer Astgabel. Die bläulich-weißen Eier mit rötlichbraunen Punkten werden nur vom Weibchen bebrütet. Im Sommer – nach der Brutzeit – sind Stieglitze oft in Gruppen unterwegs.

Stieglitz auch Distelfink genannt sitzt auf einer Distel

Der Stieglitz

Nur wenige Wochen, nachdem der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) den Stieglitz  zum Vogel des Jahres 2016 gekürt hatten, erschien im Kölner Stadtanzeiger ein kurzer Bericht über die Beschlagnahme illegal gefangener Stieglitze im Köln-Bonner Raum, die für 60 Euro im Internet zum Verkauf angeboten worden waren. Diese falsch verstandene „Liebe“ zur Natur, die ihren traurigen Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte, dauert also bis heute an. Vielleicht hätte der zierliche Finkenvogel, der laut Volksglauben zu spät zur Bemalung der Vögel kam, den lieben Gott nicht bitten sollen, die verbliebenen Farbreste auf seinem Gefieder zu verteilen.

Tatsächlich ist er der bunteste unter seinen engsten Verwandten, den Zeisigen, Hänflingen, Buch- und Grünfinken: Seine kräftig rote Gesichtsmaske hebt sich wirkungsvoll vom schwarz-weiß gefärbten Kopf ab, Rücken und Brust sind hellbraun, während Bauch und Bürzel weiß leuchten. Der schwarze Schwanz hat helle, ovale Flecken, die überwiegend schwarzen Flügel sind strahlend gelb gebändert, was dem Vogel des Jahres in England den Namen „Goldfink“ einbrachte. Sein spitz zulaufender, kegelförmiger Schnabel ist ein typisches Merkmal für Körner- und Samenfresser. Bei der Nahrungssuche bevorzugt er neben Löwenzahn und anderen Korbblütlern die Distel – daher auch der Name Distelfink –, wobei er sicherlich nicht die eine oder andere Fleischbeilage in Form von kleinen Raupen oder Insekten verschmäht.

Nistplatzsuche und Nestbau sind ausschließlich Sache des Weibchens, das nur für das geübte Auge an der etwas kleineren roten Gesichtsmaske zu erkennen ist. In Astgabeln alter Obstbäume oder hoher Pappeln und Rosskastanien baut die Stieglitzfrau in nur 4-6 Tagen aus Stängeln, Halmen und kleinen Wurzeln ein napfförmiges Gebilde, das mit Distelwolle und Moos weich ausgepolstert wird. Nach etwa 14 Tagen schlüpfen die 3-5 Jungen, die dann von beiden Eltern versorgt werden.

Bereits ab dem Sommer bilden die lebhaften und geselligen Vögel kleinere Gruppen, die gemeinsam auf Nahrungssuche gehen und sich auch nachts nicht trennen. Sie kommunizieren fast ununterbrochen mit ihrem hellen „stiglit-digelit“, aus dem sich wohl der Name Stieglitz ableiten lässt. Der eigentliche Gesang ist ein erstaunlich lautes Gezwitscher mit Trillern und Schnörkeln, das den Komponisten Antonio Vivaldi zu einem hübschen kleinen Flötenkonzert mit dem Namen „Der Distelfink“ inspirierte.

In Deutschland hat der Bestand des eigentlich so anspruchslosen kleinen „Botschafters für mehr Artenvielfalt und Farbe in Agrarräumen und Siedlungsbereichen“ seit 1990 um alarmierende 48 % abgenommen, nur in Nordrhein-Westfalen hat sich die Anzahl der Brutvögel seit 1990 verdoppelt. Hier scheinen die klimatischen Bedingungen günstiger zu sein.

Um diese wichtige Rolle NRW’s für das Verbleiben des Stieglitzes in Deutschland weiter ausfüllen zu können, ist es wichtig dafür aktiv zu sein. Wir müssen wachsam bleiben und immer wieder mehr blühende und artenreiche Ecken in Parks und Grünanlagen, mehr bunte Straßen- und Ackerränder, mehr naturnah gestaltete Firmengelände und weniger Einsatz von Pestiziden fordern. Denn nur allzu schnell werden die wenigen noch vorhandenen Brachflächen – Wohlfühloasen der Stieglitze und anderer Tiere und Pflanzen – der Ansiedlung von Gewerbe und Industrie geopfert. Natürlich können auch Gartenbesitzer ihren Teil beitragen und Disteln, Karden, Kletten und Wildblumen in Ihrem Garten berbergen. Dann können wir auch in Zukunft die Kunststückchen der akrobatischen, flinken Vögel bei der Futteraufnahme beobachten und sie nicht nur auf dem berühmten Gemälde „Madonna mit Stieglitz“ von Raffaelo (16. Jhdt.) in Florenz bewundern.