Wohl jeder kennt das Sprichwort „Das pfeifen die Spatzen von allen Dächern“, und wohl jeder wird von sich behaupten, schon einmal einen Spatzen gesehen zu haben; die Frage nach einer genaueren Beschreibung des „Allerweltvogels“ löst jedoch eher Achselzucken aus.
Zugegeben, der Haussperling mit dem wissenschaftlichen Namen Passer domesticus fällt nicht gerade durch eine prächtige Farbgebung auf. Die 14 – 16 cm großen Vögel mit dem dicken Kopf und dem kräftigen Schnabel sind eher unscheinbar braungrau gezeichnet. Das Männchen allerdings schmücken vor allem in der Brutzeit ein schwarzer Kehlfleck, kastanienbraune Streifen an den Kopfseiten und schwarze Federn auf dem bräunlichen Rücken.
Der Haussperling
Er gehört zu den Singvögeln, allerdings klingt sein monotones Tschilpen und häufiges Zetern nicht für jeden kunstvoll. Manche Menschen empfinden ihn sogar als störend, das hat dem Sperling in einigen Gegenden sogar den Beinamen „Krachmacher“ eingebracht.
Mit Vorliebe baut der Spatz – wie ihn der Volksmund nennt – sein einfaches Nest in Nischen oder unter Dächern, und als Balzplatz bevorzugt er die Dachrinne, wo er sich mit zitternden Flügeln, geschwellter Brust und lautem Tschilpen vor dem Weibchen verbeugt. Nach 11 – 13 Tagen schlüpfen zwischen 4 und 6 Junge aus den bebrüteten Eiern, nicht selten 3 – 4 mal pro Brutsaison, da nur etwa die Hälfte der Nestlinge älter als 2 Monate wird. In den ersten Tagen werden die Jungen fast ausschließlich mit Raupen und anderer tierischer Nahrung gefüttert. Die erwachsenen Tiere sind eigentlich Körner und Samenliebhaber, werden aber besonders in den Städten notgedrungen zu Allesfressern. Sie verzehren die Abfälle, die unser verschwenderisches Leben ihnen bietet. Während die nächsten Verwandten des Haussperlings, der Feldsperling (Passer montanus), der Weidensperling (Passer hispaniolensis) und der Steinsperling (Petronia petronia) nur in unterschiedlichen Lebensräumen in Europa vorkommen, hat sich der Haussperling mit Ausnahme weniger Landstriche Südostasiens und Westaustraliens, einiger Regionen am Äquator und rund um die Pole auf der ganzen Welt verbreitet. Ornithologen gehen davon aus, dass der Haussperling aus trockenen und warmen Baumsavannen stammt und sich vor etwa 10000 bis 15000 Jahren dem Menschen überall dort anschloss, wo Ackerbau betrieben wurde.
Diese gemeinsame Vorliebe für Getreidekörner führte zwangsläufig zu einem Interessenskonflikt, der noch bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts zur radikalen Bekämpfung des „Getreideräubers“ und „Körnerdiebs“ führte. Nur die ungeheure Anpassungs- und Lernfähigkeit dieses hochinteressanten Vogels haben ihn trotz solcher und ähnlicher Katastrophen (Verschwinden der Nahrungsquelle „Fliegen durch Pferdeäpfel“) vor dem Aussterben bewahrt. Sein ausgeprägter Gemeinschaftssinn, sein gesundes Misstrauen gegenüber jeder Art von Veränderung und ein lebenserhaltendes Frühwarnsystem lassen die Bezeichnung „Spatzenhirn“ als ziemlich unpassend erscheinen. Und auch wenn wir vom „Dreckspatz“ reden, beweisen wir eigentlich nur unsere Unkenntnis, denn das Staubbad, das der Haussperling so gerne und ausgiebig nimmt, dient dazu, gefährliche Parasiten aus dem Federkleid zu entfernen.
Schon immer war die Beziehung Mensch – Spatz eine sehr enge, das zeigen nicht nur die vielen Sprichwörter und Redensarten, sondern auch Gedichte und Kompositionen wie z.B. Mozarts „Spatzenmesse“ (KV 220). Britische Auswanderer sollen sogar Sperlinge mit nach Amerika genommen haben, um dem Heimweh vorzubeugen.
Ob es diesem „Weltenbürger“ unter den Vögeln auch weiterhin gelingt, trotz der mehr als sauber abgeernteten Felder, der „spatzensicher“ verschlossenen Scheunen, der zunehmend versiegelten Flächen und der aufgeräumten, „beerenlosen“ Gärten sein Plätzchen neben dem Menschen zu behaupten, ist angesichts der Rückgangsmeldungen aus Großbritannien und Deutschland nicht sicher. Sicher ist jedoch, dass wir ihm dabei helfen können, indem wir beispielsweise heimische Wildsträucher, Kräuter und Gräser in unseren Gärten und Grünanlagen wachsen lassen.
Landwirte können ebenfalls helfen, indem sie sogenannte Lerchenfenster in ihre Felder integrieren. Wie der Name schon sagt, hilft es Lerchen, aber auch Spatzen, andere Vögel und sogar Feldhasen profitieren von ihnen.
Konkret heißt das, dass auf den Nutzflächen Bereiche geschaffen werden (sogenannte Fenster), wo beim Aussäen die Maschine kurz angehoben wird und so Freiflächen von jeweils etwa 20 Quadratmeter entstehen. Diese Maßnahme hat eine große positive Wirkung auf die Vögel und ist kostengünstig für den Bauern.
Oder möchten Sie in einer Stadt leben, in der niemand mehr etwas „von den Dächern pfeift“?