Mit einer Spannweite von 150 – 170 cm ist der Uhu die größte Eule Europas und wird deswegen oft auch „Steinadler der Nacht“ genannt. Aus der Nähe betrachten kann man ihn im Leverkusener Wildpark Reuschenberg, der schon seit vielen Jahren ein Uhupaar beherbergt. Den meisten Menschen ist der majestätische Vogel wohl bekannt, in der freien Natur gesehen haben ihn aber nur die Wenigsten.

Der Uhu

Beim näheren Hinschauen fallen die gelb- bis rostbraunen Farbtöne auf, die vermischt sind mit dunkelbraunen oder schwarzen Flecken, Strichen und „Kritzeln“ und so ein schützendes „Rindenmuster“ ergeben. Trotz dieser wenig farbenreichen Gesamterscheinung sind die überaus feine Querbänderung und die zarte Abtönung der helleren Bauch- und Beinfedern doch von besonderer Schönheit.

So gar nicht vogelähnlich wirken der runde Kopf mit den 60 – 90 mm langen „Pinselohren“ und die mit einem Kranz starrer Federn schleierartig umstellten großen schwarzen Augen mit orangegelber Iris. Da sie starr nach vorne gerichtet sind, bedingen sie ein relativ kleines Blickfeld; da aber die bewegliche Halswirbelsäule eine Drehung des Kopfes bis zu 270° ermöglicht, wird dieser „Nachteil“ wieder ausgeglichen. Hinter dem Gesichtsschleier verborgen liegen etwa in Augenhöhe die eigentlichen, sehr empfindlichen Ohren.

Neben der Fähigkeit, mit geringsten Lichtintensitäten auszukommen und Beutetiere zusätzlich mit den Ohren wahrzunehmen, macht eine weitere Besonderheit die Anpassung an die „ökologische Nische“ Nacht nahezu perfekt: Die kammartig aufgeschlissenen Außenränder der überaus weichen Federn ermöglichen einen fast geräuschlosen Flug. So kann der Uhu in der Abend- oder Morgendämmerung von einer Warte aus oder niedrig fliegend seine Beute unbemerkt und zielsicher mit den Greiffüßen von der Größe einer Menschenhand fassen.

Kleinere Tiere wie etwa Ratten, Mäuse, Igel, Eichhörnchen und Singvögel werden unzerteilt verzehrt und die unverdaulichen Reste als Gewölle ausgewürgt. Solche Funde bieten Wissenschaftlern die Möglichkeit, das Nahrungsspektrum der Großeule zu analysieren. Auch größere Tiere wie Hasen und Vögel bis Bussardgröße bereichern den Speisezettel des „Allesfressers“ je nach Standort seines Reviers, bei dessen Eignungskriterien er eigentlich nicht wählerisch ist. Felsenwände der Mittelgebirge und Waldgebiete des Flachlands erscheinen ihm ebenso willkommen wie die Tundren Nordeuropas oder auch die Sahara-Wüste.

Ein eigenes Nest baut das in Einehe lebende Uhupaar nie; als Nistplätze dienen Nischen und Höhlen, Stellen unter Wurzeln und umgestürzten Bäumen und im Flachland auch Nester von Greifvögeln oder Reihern.
In der Balzzeit, die schon im Februar beginnt, ertönt der Lockruf des Männchens „buhu“ oft in langer Folge, das paarungsbereite Weibchen antwortet mit einer weicheren und höher klingenden Stimme. Dieser nächtliche Schrei, den jedes Kind nachahmen kann, hat dem „König der Nacht“ die lautimitierenden Namen ‚hûwe‘, ‚Schuhu‘ und – seit Luther – ‚Uhu‘ gegeben, auch der wissenschaftliche Name Bubo bubo aus dem Lateinischen lässt sich von dem Ruf ableiten.

Wenn das etwa 6 cm größere Weibchen im März mit der Ablage von 2 bis 3 Eiern (seltener 4 bis 5) beginnt, wird es ebenso wie die etwa 5 Wochen später geschlüpften Jungen von seinem Partner mit Futter versorgt. Die Uhujungen können erst im Alter von 9 bis 10 Wochen fliegen, werden dann aber noch lange gefüttert und bewacht. Bis zur Geschlechtsreife (mit etwa 2 bis 3 Jahren) streifen sie auf der Suche nach einem eigenen Revier oft weit umher.

Was hat nun diesen doch eher anspruchslosen und wenig spezialisierten Vogel, dessen Brutareal von Südwesteuropa und Nordafrika bis nach Sibirien und Südchina reicht, in eine so bedrohliche Situation gebracht, und zwar schon lange bevor die „Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere“ erstellt wurde? Schon den Menschen der Antike war der Uhu wegen seiner Größe, seines Rufes, seines menschenähnlichen Gesichts und seiner nächtlichen Lebensweise unheimlich. Viele Quellen belegen, dass er als Todesbote galt, Sinnbild des Bösen war und verantwortlich gemacht wurde für Unglücksfälle jeglicher Art – die Römer wiesen ihm zum Beispiel die Schuld für die verlorene Schlacht bei Cannae zu.
Dieser Aberglaube hielt sich hartnäckig bis weit über das Mittelalter hinaus und führte zu erbarmungsloser Verfolgung. Als dann später die Jägerschaft den Uhu als bedrohlichen „Konkurrenten“ ansah, kannte der Vernichtungswille keine Grenze mehr und erreichte bereits Ende des 19. Jhds. mit staatlicher Förderung einen traurigen Höhepunkt. So besagt beispielsweise eine amtliche Statistik im ehemaligen Preußen, dass vom 01.04.1885 bis zum 03.03.1886 190 (!) Uhus erlegt wurden und für Württemberg wurde festgehalten, dass es 1890 55 Paare, 1907 20 Paare und 1925 nur noch zwei Paare gab.
Die „Erfindung“ der Hüttenjagd dezimierte auch die Bestände anderer Vögel. Man errichtete an jeder geeigneten Stelle Hütten, „besorgte“ sich einen jungen Uhu, der dann auf einer Stange vor der Hütte angekettet wurde. Vor allem Krähen und Greifvögel griffen ihren natürlichen Feind an und konnten so bequem und „waidgerecht“ vom versteckten Jäger abgeschossen werden. Goethe verwendete das Bild vom „Uhu unter Krähen“ in seinen „Sprüchen in Reimen“ und spottete: „Will Vogelfang dir nicht geraten, so magst du deinen Schuhu braten!“

Selbstverständlich konnten die Uhupopulationen diese ständigen Bestandseinbußen nicht verkraften, die seit dem Beginn des 20. Jhds. durch die Zerstörung vieler Lebensräume und die zunehmende Verdrahtung der Landschaft noch verstärkt wurden. So ist es leider nicht erstaunlich, dass der Uhu in weiten Teilen Deutschlands bald ausgerottet war.

Erfreulicheweise gibt es inzwischen wieder mehr als 2000 Paare in Deutschland! Der Naturschutzbund Deutschland NABU und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern LBV haben den Uhu zum Vogel des Jahres 2005 gewählt, weil er „wie kaum eine andere Art zu einem der ganz großen Erfolge in Sachen Arten- und Lebensraumschutz zählt“. Aber selbst strenge rechtliche Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen sowie die Auswilderung von Zuchttieren beispielsweise in der Eifel (hier könnten durchaus Leverkusener Uhus leben) sind noch keine Garantie für das Fortbestehen dieser einzigartigen Vogelart.

Solange es Menschen gibt, die auch die letzten abgeschiedenen stillen Naturlandschaften für ihre „Sportarten“ (Gleitschirmsegeln, Mountainbikefahren, Extremklettern etc.) meinen in Anspruch nehmen zu müssen, kann man nicht von einem gesicherten Bestand reden. Denn so anspruchslos der Uhu bei der Wahl seines Standorts oder bei der Nahrung auch ist, so empfindlich reagiert er auf Störungen jeder Art.

Wir können nur hoffen, dass diese „Ernennung“ zum Vogel des Jahres dazu führt, dass die bisher erfolgreichen Schutzmaßnahmen noch besser akzeptiert werden, und dass die Einsicht wächst, dass der Erhalt dieses „Großherzogs“ unter den Eulen – so heißt der Uhu in Frankreich – uns alle angeht, damit die letzte Zeile der „Vogelhochzeit“ – „Der Uhu macht die Fensterläden zu“ – nicht zum Synonym für sein Verschwinden wird.