„Man möchte sich dem Teufel ergeben, Wilhelm, über all die Hunde, die Gott auf Erden duldet, ohne Sinn und Gefühl an dem wenigen, was drauf noch wert ist… Du kennst die herrlichen Nussbäume, die mich, Gott weiß, immer mit dem größten Seelenvergnügen füllten. Wie vertraulich sie den Pfarrhof machten, wie kühl, und wie herrlich die Äste waren… Abgehauen! Ich könnte rasend werden, ich könnte den Hund ermorden, der den ersten Hieb dran tat… Das ganze Dorf murrt, und ich hoffe, die Frau Pfarrern soll’s an Butter und Eiern und übrigen Zutaten spüren, was für eine Wunde sie ihrem Orte gegeben hat.“

 

Die Walnuss

Ganz so zornentbrannt und gefühlsbetont wie Goethes Werther hat das Kuratorium „Baum des Jahres“ sich wohl nicht geäußert, aber Trauer über das allmähliche Verschwinden eines „guten, alten Freundes“ aus unseren Gärten und von unseren Plätzen hat sicherlich bei der Wahl der Walnuss zum Baum des Jahres eine große Rolle gespielt, ist doch ihr Bestand durch übertriebene Nutzung und mangelnde Nachpflanzung stark zurückgegangen. Dr. Silvius Wodarz, Vorsitzender dieses Kuratoriums, ist der Meinung, dass man Bäume nicht „neu erfinden“, wohl aber „neu entdecken“ muss. Folgen wir also seiner Aufforderung und begeben uns auf Entdeckungsreise.

Die Echte Walnuss (Juglans regia), ursprünglich im südwestasiatischen Raum beheimatet, kam über die Griechen zu den Römern, die sie dem Jupiter weihten und daher Iovis glans (JupiterEichel) nannten. Der heutige Name erklärt sich aus dem Reiseweg, den der Baum über die Jahrhunderte hinweg nahm. Als Karl der Große um 800 n. Chr. seinen Anbau anordnete, setzte sich die spätlateinische Bezeichnung nux gallica durch, weil man wusste, dass der Baum über Gallien, das heutige Frankreich, nach Deutschland gekommen war. Aus der Welschnuss wurde dann ab dem 18. Jahrhundert die Walnuss. Sie breitete sich schnell vor allem in Österreich aus, weil Maria Theresia befohlen hatte, dass jeder Hof einen solchen Baum anpflanzen solle. Heute ist der Baum des Jahres in weiten Teilen Europas eingebürgert und wird auch in den USA (Kalifornien) und China angebaut.

Wie sieht er denn nun aus, unser weit gereister Freund, und was macht ihn zum „idealen Hausbaum“ (S. Wodarz)? Er ist kräftig und wohlproportioniert, hat, wenn er frei stehen kann, eine reich belaubte und rundliche Krone, wird ungefähr 30 Meter hoch und kann, wenn man ihn denn lässt, bis zu 400 Jahre alt werden. Seine Rinde ist in der Jugend glatt und graubraun und wird mit zunehmendem Alter rauher. Die weiblichen Blüten sitzen in gelblichen Trauben an der Spitze der Zweige und die männlichen Kätzchen hängen an den Blattachsen. Da sie sehr frostempfindlich sind – die Herkunft aus wärmeren Gebieten lässt sich eben nicht vereugnen -, fürchten die Walnussbauern den Markustag (25. April) als „Nussfressertag“.

Im September beginnen die Früchte heranzureifen; sie sind zunächst noch von einer dickfleischigen grünen Schale umgeben, die später aufplatzt und die Nuss freigibt. Um an den begehrten Kern zu kommen, haben wir die unterschiedlichsten Methoden und Geräte entwickelt, denn „Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf“.

Nicht nur Kinder lieben diese Geschenke der Natur, auch Erwachsene greifen gerne zu Walnusskuchen und Walnusseis oder genießen den Nusslikör, der traditionell am Johannistag (24. Juni) aus grünen Nüssen angesetzt wird. Auch das aus reifen Nüssen gepresste Öl wird als feines Salatöl geschätzt, in Vergessenheit geraten ist allerdings die im späten Mittelalter gebräuchliche Rezeptur des Hieronymus Bock für einen aus getrockneten grünen Schalen hergestellten Pfefferersatz. Die grünen unreifen Früchte waren und sind aber nicht nur in der Küche willkommen, sondern liefern auch eine intensive braune Farbe, die für Wolle und andere Stoffe verwendet wurde und heute noch in alternativen Haarfärbemitteln und in Hautöl eingesetzt wird.

Das Holz der Walnuss ist wegen seiner satten Farbe und der schönen Maserung ein heute begehrtes Edelholz, das nur noch für hochwertige Gegenstände verwendet wird.

Trotz der vielseitigen Nutzung der Inhaltsstoffe von Früchten und Blätern – in der Medizin beispielsweise für blutreinigende und hautstärkende Mittel – und der vielen Verwendungsmöglichkeiten des Holzes, wurde der Baum selbst im Mittelalter als Unglücksbaum betrachtet, unter dem sich nur Hexen und sonstiges lichtscheues Gesindel wohlfühlten. Heute wissen wir, dass die Walnuss Hemmstoffe abgibt, die das Gedeihen anderer Pflanzen hindert, die so als Nährstoffkonkurrenten wegfallen; außerdem bauen sich die gerbstoffreichen Blätter langsamer ab als anderes Laub und werden von den meisten Insekten gemieden.

Wenn es also nicht die leckeren Nüsse sind, die den Walnussbaum zum idealen Hausbaum machen, dann vielleicht doch diese eben genannten Eigenschaften: Ist es nicht eine schöne Vorstellung, an einem lauen Spätsommerabend von lästigen Mücken oder Fliegen unbehelligt unter dem Baum zu sitzen.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass die Walnuss nicht durch äußere Umwelteinflüsse bedroht ist – selbst der Klimawandel könnte ihm nützen -, sondern auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen der Menschen ausgeliefert ist.

Am Rande von Leverkusen-Schlebusch an der Odenthaler Straße ist der Walnusshof (Leimbacher Hof) vielen Einheimischen wohlbekannt. In den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts  wurde er gegründet und auf seinem Gelände verteilen sich 230 Walnussbäume.

Die Zahl 1892 steht auf dem Torbogen und gibt das Baujahr des jetzigen Gutsgebäudes an. Der Hof selber ist aber gute 1.000 Jahre alt, wie der jetzige Besitzer sagt.